Tagespflege für viele Familien unverzichbar

Lindauer Zeitung vom 27.12.2017 von Evi Eck-Gedler
So lange wie möglich zu Hause leben, von der Familie oder vom Partner umsorgt: Das erhoffen sich viele Menschen, wenn sie älter werden oder an Demenz erkranken. Doch das kann für die betreuenden Angehörigen zum Kraftakt werden.
Die Lindauer Sozialstation hat vor gut zehn Jahren in Zech den Grundstein dafür gelegt, dass ambulante Pflege länger möglich bleibt – mit ihrer Tagespflege. Das Projekt stand unter dem Motto „Mut zum Risiko“. Doch es hat sich gelohnt:
Die 40 Plätze in zwei Häusern sind heute zu 80 Prozent belegt.
Der Blick zurück ist wichtig, um zu verstehen, wieso die Sozialstation diesen Weg gegangen ist. Denn eigentlich wollte sie auf dem Grundstück in Zech ein Pflegezentrum bauen, mit knapp 40 Plätzen für Kurzzeitpflege und Tagespflege. Das Vier-Millionen-Euro-Projekt war 2003 bereits genehmigt, stand kurz vor der Auftragsvergabe, als der damalige Lindauer Kreistag überraschend seine Förderzusage zurückzog. Er wollte dem seinerzeit noch vom Landkreis geführten Lindauer Krankenhaus ein weiteres Standbein in Form einer Kurzzeitpflegestation geben.
Das Pilotprojekt Tagespflege schien damit zunächst gescheitert. Dabei berichteten die Pflegekräfte der Sozialstation immer wieder, dass es Bedarf für diesen besonderen Bereich der ambulanten Pflege gebe. Deshalb fassten sich die Verantwortlichen der Sozialstation ein Herz – und legte im Frühjahr 2007 den Grundstein für Haus 1 der Tagespflege. „Wir haben damals schon echt Angst gehabt, ob wir das Haus wirklich voll kriegen“, blickt Geschäftsführer Gerhard Fehrer zurück.
Doch der Mut hat sich gelohnt. Davon ist Jutta Pfaff heute überzeugt. Schon im Vorfeld des Projekts hat die Pflegefachfrau – sie leitete bis 2007 die Kurzzeitpflege Auf der Mauer – an den Plänen für die neue Station mitgearbeitet. Hat zusammen mit Fehrer andere Einrichtungen besichtigt. „Es ist klar ein Vorteil, dass da ein Neubau erstellt wurde“, ist für Pfaffs Nachfolgerin Stefanie Schellhorn-Erath wichtig. Wobei sich der Geschäftsführer an die Bauzeit nicht so gern erinnert. Denn da habe es zahlreiche Stolpersteine gegeben. So ging unter anderem der ursprüngliche Bauunternehmer in Konkurs.
Im Dezember 2007 war es dann aber so weit: Die in warmen mediterranen Farben gehaltene Tagespflege öffnete ihre Türen. Knapp 600 000 Euro hatte die Sozialstation damals in den Neubau investiert, möglich unter anderem dank einer Erbschaft. Auf öffentliche Fördergelder hatte man bei diesem Projekt hingegen verzichtet.
Jutta Pfaff hat die junge Tagespflege aufgebaut. Sie profitierte dabei von ihren Erfahrungen aus der Kurzzeitpflege. Schon nach kurzer Zeit sind die 20 Plätze der Station gut gebucht gewesen. Keine zwei Jahre später ist der Bedarf der Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen so groß, dass die Sozialstation eine Warteliste führen muss. Da ist für den Vorstand klar: Eine zweite Tagespflegestation muss kommen.
Feste Strukturen prägen den Alltag
Die wird im Sommer 2010 in direkter Nachbarschaft eröffnet, bietet weitere 20 Plätze. Als es auch dort eng wird, denkt der Geschäftsführer zwar über drittes Haus nach. Doch weil ein geeignetes Grundstück fehlt, schafft Fehrer anderweitig Luft: Die Tagespflege der Sozialstation ist heute auch an jedem Samstag geöffnet, also an sechs Tagen pro Woche.
Am Alltag der Gäste dort hat sich seit den Anfangstagen nicht viel verändert, wie Pfaffs Nachfolgerin Stefanie Schellhorn-Erath und die heutige Leiterin der Tagespflege, Gabi Hermle-Fehr, bestätigen. Wichtig sind in ihren Augen die festen Strukturen im Tagespflegealltag. Die meisten der Gäste werden vom Taxi zu Hause abgeholt und nach Zech gefahren. Jeder kann dort in Ruhe angekommen. Nach einer gemütlichen gemeinsamen Frühstücksrunde stehen Zeitunglesen und Gespräche genauso auf dem Tagesplan wie Bewegungstherapie, Gymnastik und Spaziergänge durch den Stadtteil.
Einer der wichtigsten Faktoren in der Tagespflege: Musik, ob „aus der Konserve“ oder selbst gesungene Lieder. Denn selbst Demenzkranke, denen die Gegenwart durch die Finger fließt, singen begeistert alte Schlager mit, erleben die Pflegekräfte tagtäglich aufs Neue. Dass Musik bei den älteren Semestern eine wichtige Rolle spielt, hat Pfaff in der Anfangszeit schnell gelernt. War der Umgang mit einem Gast etwas schwieriger, dann half Musik. Inzwischen haben zwei Mitarbeiter der Tagespflege eine Zusatzausbildung zum „heilsamen Singleiter“ absolviert. Auch Hermle-Fehr will diesen Kurs in nächster Zeit abschließen.
Die Tagespflege in Zech bleibt auf Erfolgskurs. Davon sind die drei Pflegefachfrauen genauso überzeugt wie Fehrer. Heute ist kein Mut zum Risiko mehr nötig. Heute schauen alle optimistisch in die nächsten zehn Jahre.
Die Tagespflege der Lindauer Sozialstation ist montags bis samstags jeweils von 8 bis 17 Uhr geöffnet. Wer sich für einen Platz interessiert, der kann sich direkt in der Leiblachstraße in Zech melden oder telefonisch unter der Nummer 0 83 82/96 74-11.